Racial Profiling im Corona Krisen Management?

Das OVB Online (Anna Heise) meldete am 5.11.2021, dass Stadt und Landkreis Rosenheim im Zuge der Corona Eindämmung südosteuropäische Gruppen als Verursacher ausmachten und sich deshalb (nach Hinweisen aus dem Krankenhaus) ab Ende August schriftlich an sie wandten.

Diese Zuschreibung löste bei den Betroffenen Schock und Verwirrung aus „Es hat sich angefühlt, wie ein Schlag in die Magengrube“ (all Zitate aus dieser Quelle: https://www.ovb-online.de/rosenheim/rosenheim-stadt/suedosteuropaeer-aus-rosenheim-fuehlen-sich-ausgegrenzt-5000-briefe-zu-corona-sorgen-fuer-kritik-91097519.html).

Der Pressesprecher des Landratsamtes benannte Südosteuropa-Reiserückkehrer als ursächliche Beteiligte am Infektionsgeschehen. Die in diesem Zusammenhang statistisch erhobene Abfrage nach Familienbesuchen und Reiseverhalten bei besonderen Gruppen wurde zum Auslöser, sich schriftlich (teilweise muttersprachlich) an Menschen mit südosteuropäischer Abstammung und Nationalität zu wenden und sie um einen zweiten (zusätzlich zu dem vorgeschriebenen) Rückkehrer-Test zu bitten. Unberücksichtigt blieb dabei das tatsächliche Reiseverhalten und Compliance.

Einige Stadträte wünschten sich in solchen Situationen mehr Sensibilität (Regina Georg, Grüne) und erläuterten „Es bringt nichts, die Pandemie auf die Nationalität zu schieben“ (Ricarda Krüger, Die Partei).

Oberbürgermeister Andreas März versprach daraufhin „in Zukunft sensibler vorzugehen“.

Das Projekt „Rosenheimer Vielfaltsgestalter“ empfahl, statt auf Spaltung und Stigmatisierung in Krisenzeiten, lieber auf gemeinsame Aktionen gegen zB. die niedrige Impfbereitschaft zu setzen.

Betroffene können sich auch an das Rosenheimer Bündnis für Vielfalt (08031- 233870, anhlatky@startklar-sozialer-arbeit.de) wenden.

In einem Kommentar vom selben Tag unterstrich Anna Heise, dass die Corona-bedingte Spaltung der Gesellschaft durch das Beschuldigen von südosteuropäischen Wahl-Rosenheimern nur noch verschärft würde. Ungenaue Begründungen und unklare Abfrage-Parameter würden der Stigmatisierung und Ausgrenzung bestimmter Gruppen dienen. „Denn die Pandemie spaltet ohnehin – da muss man nicht noch zusätzlich Öl ins Feuer gießen“ (Quelle: https://www.ovb-online.de/rosenheim/rosenheim-stadt/briefe-an-suedosteuropaeer-aus-rosenheim-wegen-corona-nicht-zusaetzlich-oel-ins-feuer-giessen-91097698.html).

Die Leserkommentarseite des OVB Online vom selben Tag zeigte Diskriminierungsfolgen:

Den so stigmatisierten Gruppen wird dort Überdramatisierung, nachweislich geringe Impfbereitschaft, Wichtigtuerei, Stolz, Ignoranz und Zugehörigkeit zu ungebildeten Schichten zugesprochen (Screenshot vom 8.11.2021 beim Initiativkreis Migration Rosenheim einsehbar).

Corona in Gemeinschaftsunterkünften – „Das größte Infektionsrisiko ist die Form der Unterbringung“

Die Situation geflüchteter Menschen in Zeiten von Corona ist dramatisch – sei es auf den griechischen Inseln oder in den Gemeinschaftsunterkünften in Bayern und Rosenheim. Der Initiativkreis Migration Rosenheim fordert eine menschenwürdige Unterbringung und ein Ende der krankmachenden Zustände.

Auf den griechischen Inseln sind die Lager überfüllt und die Menschen bleiben sich selbst überlassen. Es fehlt an allem und Hygienestandards können nicht eingehalten werden. Dazu hetzen Faschisten sowohl in Griechenland, wie auch in Deutschland gegen Geflüchtete, würden Sie doch angeblich Corona verbreiten.
Aber auch in Bayern und Rosenheim ist die Art und Weise, wie mit Geflüchteten umgegangen wird zu kritisieren: So führten die aktuellen Zustände bereits zum möglicherweise vermeidbaren Tod eines Bewohners einer Gemeinschaftsunterkunft in München, wie unter anderem der ärztliche Kreis- und Bezirksverband München kritisiert.

Tritt ein Covid-19-Fall in einer Gemeinschaftsunterkunft auf, ist es auch in Rosenheim gängige Praxis, die gesamte Unterkunft einzuzäunen und teilweise auch mehr als 14 Tage unter Quarantäne zu stellen, anstelle die Lebenssituation der Betroffenen grundlegend zu verändern und zu verbessern. Auch werden durch das Handeln der bayerischen Regierung und der Stadt Rosenheim die Situation und die Umstände verkannt und negiert, die zur Gefahr für die Bewohnerinnen solcher Einrichtungen werden. Barbara Riedel vom Initiativkreis Migration Rosenheim betont dementsprechend:

„Das größte Infektionsrisiko ist die Form der Unterbringung Schutzsuchender selbst und nicht die Tatsache, dass Menschen auf der Flucht sind oder waren.“

Und weiter führt sie aus:

„Auch nach der Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen besteht eine Kontaktbeschränkung in Bayern. Alle Menschen müssen weiterhin ihre Kontakte zu anderen Menschen auf ein absolut nötiges Minimum reduzieren und einen Mindestabstand von 1,50 Metern einhalten. Wer aber in Mehrbettzimmern untergebracht ist und sich mit vielen anderen Bewohnerinnen Küchen, Toiletten und Waschräume teilt, kann weder Mindestabstände einhalten noch physische Kontakte reduzieren. Dies hat zwangsweise zur Folge, dass die Corona-Infektionen ansteigen.“

Doch anstatt diese Situation zu verändern und die Bewohnerinnen der Unterkünfte in Wohnungen, Einzelzimmern oder auch Pensionen und Hotels unterzubringen, werden, so die Kritik des Initiativkreis Migration Rosenheim, die Schutzsuchenden vom Rosenheimer Stadtsprecher Thomas Bugl und dem Leiter des staatlichen Gesundheitsamtes sprachlich und rechnerisch aus der Gesellschaft ausgegrenzt. So wundert es auch nicht, dass die Bewohnerinnen zunehmend aufgebracht sind und ihren Unmut auch äußern (siehe Bild).

Über die unmittelbar gesundheitliche Gefahr hinaus, wäre es notwendig, die schulische Bildung auch in Geflüchtetenunterkünften ernst zu nehmen. Die Kinder und Jugendlichen brauchen dazu Wlan, Laptops und eine gesicherte Versorgung mit Unterrichtsinhalten und -material. Bisher sind die betroffenen Kinder und Jugendlichen von der Initiative einzelner Engagierter abhängig, die versuchen, Lernräume und den Zugang zum Internet zu organisieren. Ein Konzept und Perspektiven von Seiten der Stadt und des Landkreis Rosenheim scheint es nicht zu geben.

Aufgrund der geschilderten Situation fordert der Initiativkreis Migration Rosenheim ein Ende der irrsinnigen Politik, die krank macht und Leben auf‘s Spiel setzt. Er setzt sich für eine Unterbringung von Geflüchteten unter menschenwürdigen und lebenrettenden Bedingungen ein. Das Mindeste sind Einzelzimmer sowie die Auflösung der Lagerunterbringung und eine dezentrale Unterbringung.
Darüber hinaus braucht es eine umfassende und verständliche Aufklärung der Bewohner*innen über Kontaktbeschränkungen und Infektionsschutzmaßnahmen durch Vertrauenspersonen sowie die besondere Beachtung besonders verletzlicher Gruppen, wie von Kindern, Kranken und Traumatisierten.

Demonstration #LeaveNoOneBehind auch in Rosenheim

Am gestrigen Sonntag, den 29. März, nahmen etwa 6000 Menschen von 16 bis 18 Uhr an einer Online-Demonstration unter dem Motto #LeaveNoOneBehind teil, unter ihnen auch der Initiativkreis Migration Rosenheim sowie weitere zahlreiche Rosenheimer*innen. Die Demonstration wurde von der Seebrücke organisiert und hatte zum Ziel, in Zeiten von Corona auch an die Menschen an den EU-Außengrenzen zu denken, für deren Rechte einzustehen und eine humanitäre Katastrophe in den Lagern auf den griechischen Inseln zu verhindern.

In Form mehrerer Stationen und zahlreichen Redebeiträge fand am gestrigen Sonntag eine Online-Demonstration der Seebrücke statt. Hintergrund war der aktuell grassierende Corona-Virus und die Tatsache, dass sich dieser in den beengten griechischen Flüchtlingslagern nicht stoppen lassen wird. „Angesichts der katastrophalen Zustände an den EU-Außengrenzen wirken Hygienetipps der Bundesregierung, wie das richtige und häufige Händewaschen wie blanker Hohn“, so ein Vertreter des Initiativkreis Migration Rosenheim. Aufgrund derartiger Tatsachen war eine vielfach wiederkehrende Forderung während der Demonstration (in Kommentaren, auf fotografierten Transparenten, in Forderungen an die „besuchten“ Ministerien und Verantwortlichen) „Wir fordern die sofortige Evakuierung und Unterbringung in Sicherheit für Schutzsuchende!“

Im Laufe der Demonstration wurden das Bundesinnenministerium, die Bundesregierung, das Auswärtige Amt, die EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen und die EU-Kommissarin für Inneres Ylva Johansson „besucht“. Auf Twitter, Facebook, per Email und über Kontaktformulare wurden Forderungen an die Verantwortlichen gestellt und auf die beispiellose menschenrechtliche, gesundheitliche und politische Katastrophe hingewiesen.

Im Aufruf zur Demonstration hieß es u.a.: „Angesichts der weltweiten Corona-Pandemie müssen wir mehr denn je solidarisch handeln und jene unterstützen, die von dieser Katastrophe besonders schwer betroffen sind. Das sind unter anderem Alte, Arme, Obdachlose, Immunschwache und auch geflüchtete Menschen an unseren Außengrenzen. … Griechenland und die EU haben in den letzten Wochen grundlegende Menschenrechte und das Recht auf Asyl faktisch abgeschafft. … Die Situation in den überfüllten Lagern ist katastrophal, es fehlt an allem: von medizinischer Hilfe bis zu hygienischer Grundversorgung. Gefangen und isoliert auf den Inseln sind die Menschen der Pandemie schutzlos ausgeliefert. Denn Schutzmaßnahmen, die auf dem europäischen Festland getroffen werden, sind dort schlicht unmöglich.“

Weitere Informationen zur gestrigen Demonstration auf Twitter und bei der Seebrücke.