Am Dienstag, 18.02.2014 ist die Polizei in ein Kirchenasyl in Augsburg eingedrungen / Alleinerziehende Mutter mit 4 Kindern nach Polen abgeschoben / Das ökumenische Kirchenasylnetz Bayern, die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche und der Bayerische Flüchtlingsrat fordern: Kirchenasyle müssen unantastbar bleiben
Frau D. (38), alleinerziehende Mutter mit 4 Kindern im Alter zwischen 4 und 14 Jahren, flüchtete von Tschetschenien nach Polen. Sie wurde in einer Sozialwohnung in Bialystok untergebracht, musste dort aber extreme Diskriminierung und rassistische Übergriffe durch organisierte Neonazis erleben. Als die Wohnung einer Nachbarin, die ebenfalls aus Tschetschenien stammt, von polnischen Neonazis in Brand gesetzt wurde, floh die traumatisierte Frau Hals über Kopf mit ihren Kindern nach Deutschland weiter. Da aufgrund der Dublin-Verordnung Polen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, setzte die Ausländerbehörde der Stadt Augsburg alles daran, die Familie nach Polen abzuschieben. Eine Augsburger Pfarrei gewährte der Familie deshalb schnell entschlossen Kirchenasyl.
Dieses Kirchenasyl wurde am Dienstagmorgen im Auftrag der Ausländerbehörde von der Polizei geräumt. Mehrere Polizeibeamte kamen mit einem Haftbefehl zum Pfarrhaus und forderten Zutritt, um die Familie für die Abschiebung mitzunehmen. Der Pfarrer setzte alles daran, die Verhaftung zu verhindern, doch ohne Erfolg. Zwar wurden bisher Kirchenasyle von den Behörden geduldet, er hatte jedoch keine rechtliche Handhabe, den Beamten den Zutritt zum Pfarrhaus zu verwehren, ohne sich selbst strafbar zu machen. Die Polizeibeamten drangen daraufhin ins Pfarrhaus ein, nahmen die Familie mit und schoben sie im Laufe des Dienstags nach Polen ab.
„Kirchenasyle haben eine lange Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Die letzte Räumung eines Kirchenasyls in Bayern fand 1996 statt. Wir sind deshalb schockiert, dass die bayerische Polizei einfach in ein Pfarrhaus eindringt und eine traumatisierte Familie abschiebt. Dies ist ein Tabubruch, der nicht hingenommen werden kann“, erklärt Hans-Günther Schramm vom Ökumenischen Kirchenasylnetz Bayern. „Kirchenasyle werden bei besonderen humanitären Notlagen gewährt, sind deshalb unantastbar und müssen dies auch in Zukunft bleiben!“
Marc Speer, Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche ergänzt: „Immer wieder nehmen Pfarreien und ihre Gemeindeglieder Flüchtlinge aus humanitären Gründen im Kirchenasyl auf. Sie zeigen Zivilcourage, indem sie sich Entscheidungen der Behörden widersetzen und dafür sorgen, dass Flüchtlinge nicht in andere EU-Staaten abgeschoben werden, sondern ein Asylverfahren in Deutschland bekommen. Dieses Handeln verdient unseren größten Respekt! Es ist ein absoluter Dammbruch, wenn in Bayern das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen in dieser Form ignoriert wird und Kirchenasyle nicht mehr vor der Räumung sicher sind.“
Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats: „Die Kirchenasyle sind den Ausländerbehörden ein Dorn im Auge, denn sie sind der Sand im Getriebe der innereuropäischen Abschiebemaschinerie. Wenn aber Christen der Humanität Vorrang geben vor anonymen Behördenentscheidungen, müssen das Behördenvertreter und eine Partei, die sich christlich nennt, aushalten. Wir fordern deshalb Innenminister Joachim Herrmann auf, der Augsburger Ausländerbehörde unmissverständlich klar zu machen, dass Kirchenasyle für sie und die Polizei absolut tabu sind!“
Pfr. Kuno Hauck, Ausländerbeauftragter im Evangelischen Dekanat Nürnberg, ruft die evangelischen und katholischen Gemeinden in Bayern auf, sich von diesem Einschüchterungsversuch nicht abhalten zu lassen, weiterhin Flüchtlingen Asyl in kirchlichen Räumen anzubieten, gemäß des biblischen Auftrags: „Ich war ein Fremder und ihr habt mich aufgenommen.“
gemeinsame Pressemitteilung, 20.02.2014, von: Bayerischer Flüchtlingsrat, Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Ökumenisches Kirchenasylnetz Bayern