Tricksen oder Fringsen?

Seit Anfang August gibt es den Bezahlkartentausch im Z – dem linken Zentrum in Selbstverwaltung in Rosenheim:

https://z-rosenheim.org/2024/09/holt-euch-gutscheine-unterstuetzt-die-initiative-bezahlkartentausch

Von der Summe, die Asylbewerber*innen monatlich zur Verfügung steht, dürfen sie nur 50€ in Bar abheben, damit sie größere Summen Bargeldes nicht dazu nutzen, etwaige Schleuserschulden nicht nachverfolgbar zu begleichen oder Remitten zu ihren Familien zu senden. Dadurch sollen die sogenannten Pull-Faktoren, die die Menschen zur Flucht animieren sollen, reduziert werden.

Stattdessen führt die Bezahlkarte jedoch zur Stigmatisierung im Bezahlalltag der Betroffenen und eine normale Teilhabe wird ihnen vewehrt:

Blessings Kleinkind hat eine schwere Lebensmittelunverträglichkeit, die dafür benötigten Lebensmittel im Reformhaus kann sie nicht mit der Bezahlkarte einkaufen.

Fatimas Kinder werden eingeschult, doch der Schuh-Discounter erkennt ihre Bezahlkarte nicht an. Sie kann die Einkaufsliste der Lehrerin nicht erfüllen.

Asmara braucht eine besondere Milchpumpe, im Fachgeschäft kann das Kartenlesegerät mit der blauen Karte leider nichts anfangen.

Ayham möchte gerne einen Anwalt bezahlen und er weiß, dass er das mit der Bezahlkarte auch darf, aber es klappt trotzdem nicht.

Serta hat sich bei der Ausländerbehörde abgemeldet, sie darf ihre kranke Tante in einem anderen Bundesland kurz besuchen, doch den ÖPNV in der kleinen Gemeinde dort kann sie damit nicht bezahlen.

Diese Schilderungen hören sich vielleicht wie kleine Probleme an. Für die Betroffenen sind sie alltägliche Ausgrenzung und Verhinderung. Sie können zwar beim wöchentlichen Bezahlkartentausch einen Teil ihres Guthabens zuerst in Gutscheine und dann in Bargeld tauschen, jedoch spiegeln ihnen die Medien, sie würden dabei tricksen und das System Bezahlkarte unterlaufen.

Sich zu behelfen und selbstwirksam zu werden ist aber nicht Tricksen – es ist Fringsen.

Fringsen beschreibt eigentlich einen Mundraub, der schlimmeren Schaden abhilft. Der Begriff wurde geprägt, als Kardinal Frings im Nachkriegswinter ’45 den Kohlenklau der gebeutelten Bevölkerung ‚erlaubte‘.

Der Bezahlkartentausch als eine heutige Version des Fringsens verdient deshalb unsere Solidarität, denn …

… Maria kauft Gutscheine, die Blessing für den Tausch abgegeben hatte. So kommt Bargeld rein, das wiederum für Fatimas Gutscheine einer großen Discounterkette eingetauscht werden kann.

… Werner geht zwar selten zu diesem Discounter, nimmt aber diese Gutscheine ab und schenkt sie den Ukrainern, die gerade frisch vom Lager in seiner Gemeinde angekommen sind.

… Asmaras und Ayhams Gutscheine werden von einem Betrieb ‚aufgekauft‘, der seinen Mitarbeitern in der Form einen Bonus auszahlen will.

… Serta hat ihre Nachbarin mitgebracht. Diese war noch nie in diesem Teil der Innstraße und ist sehr überrascht, wie der Bezahlkartentausch klappt: Alle Gutscheine werden auf ihre Validität überprüft und man kann sich aussuchen, welche Gutscheine in welchen Stückelungen von welche Anbieter man gegen Bargeld eintauschen mag. Sertas Nachbarin entscheidet sich für einen größeren Gutschein, den sie nach und nach aufbrauchen kann.

Vielleicht sehen wir uns ja bei der nächsten Gelegenheit zu Fringsen !

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